Heinrich-Tessenow-Weg

war trotz fragmentarischer Ausbildung einer der bedeutendsten Meister der modernen Architektur in Deutschland. Seine Entwürfe und Bauten zeichnen sich durch bescheidene Schlichtheit aus.

Geboren wurde Tessenow am 7. April 1876 in Rostock. Er heiratete 1903 Elly Schülke (zwei Töchter, Charlotte und Hedwig).
Er starb am 1. November 1950 in Berlin-Zehlendorf.

Sein Lebenswerk war die Gartenstadt Hellerau bei Dresden (Bild Mitte), eine Siedlung, die ab 1906 mit der Führungsgruppe des Deutschen Werkbundes und den Architekten Theodor Fischer, Hermann Muthesius und Fritz Schumacher als Reformstadt für 500 Arbeiter mit Fabrik, Markt, Schule, Festhalle entworfen und ab 1908 gebaut wurde. Tessenow widmete sich viele Jahre diesem Projekt. Schon 1903 hatte er in 40 Bildtafeln Ideen für Kleinwohnungsbau und Reihenhäuser entwickelt. Typisch für Tessenow waren die nackten Putzwände mit wenigen architektonischen Gebilden, eine harmonische Verteilung von Türen und Fenstern mit dekorativen Elementen wie Kletterpflanzen-Gittern und schattenspendenden Gartenlauben. Bei den Häusern mit Giebeldach sollten die Fenster niedrig liegen und groß sein, damit Räume gleichmäßig ausgeleuchtet werden, Fensterläden sollten für ein Gefühl der Geborgenheit sorgen. Unten öffnen sich die Fenster nach außen (kein Platzverlust), im I. Stock nach innen (wegen Putzmöglichkeit), - helle, lebendige Fenster. Kachelöfen, Möbel solide, hygienisch, zweckmäßig und preiswert, Waschtisch vor dem Fenster oder Waschschüssel direkt auf der breiten Fensterbank, kein Badezimmer (da Luxus für Arbeiterfamilien), dafür lieber ein Stall für Kleinvieh und ein kleiner Garten -das waren die Merkmale seiner Häuser.
1919 hatte Tessenow sogar die Idee, eine Handwerkergemeinde zu gründen mit Meister, Geselle, Lehrling unter einem Dach, als unabhängige Handwerkergruppen, eine Siedlung mit Werkstätten und Wohnungen  für gemeinsame Mahlzeiten  und  hierarchischer Ordnung als Heimstatt des Mittelstandes. Trotz finanzieller  Unterstützung   Wohlhabender entstanden  aber  nur  wenige Prototypen.  Dagegen entstanden  nach seinen  Entwürfen weitere Siedlungen wie die Landhauskolonie bei Halle / Saale, Reihenhäuser bei Köln und Bad Brösen / Danzig, eine ländliche     Heinrich


Heinrich Tessenow 1876 - 1950

Bildquelle  : DAM/Frankfurt

Kleinsiedlung bei Pößneck / Thüringen (30 Wohneinheiten, halbländlich mit Giebel, Anbauten mit Toiletten, Stall u. Abstellräume), die Siedlung Rannersdorf bei Schwechat / Wien, die GAGfAh-Siedlung bei Berlin-Zehlendorf, die Siedlung „Glückauf" bei Frankfurt / Oder und eine Gemeinschaftssiedlung bei Dessau.

Das war sein Lebenslauf:

Nach abgebrochener Ausbildung an einer Lehrerbildungsanstalt tritt Tessenow
1892 eine Lehre als Zimmereihandwerker im Betrieb des Vaters Johann Carl an. Danach folgen drei Semester an der städt. Bauschule in Neustadt / Mecklenburg und an der königlich sächsischen Baugewerkschule in Leipzig.
1899 -1901 studiert er an der Technischen Hochschule (TH) München und arbeitet daneben in einem Atelier.
1902
lehrt er an der städt. Baugewerbeschule in Sternberg (Mecklenburg) und später in Lüchow bei Hannover.
1904 zieht er nach Saaleck (Thüringen) und ist Mitarbeiter in den „ Saalecker Werkstätten". Im Mai
1905
wechselt er zur Trierer Gewerbeschule, wo er bis 1910 Architektur unterrichtet. Von
1909 bis 1910
ist er Assistent an der TH Dresden und bis 1913 im Projekt Gartenstadt Hellerau engagiert.
1913-1919
lehrt er an der Wiener k.u.k. Kunstgewerbeschule (Schülerin ist Margarethe Lihotzky), kehrt
1919 nach Dresden /Hellerau zurück, um am Projekt „Kriegersiedlung in Rähnitz" zu arbeiten und leitet
1920 -1926 den Architektur-Lehrstuhl an der Dresdener Kunstakademie. Ab Juli
1926 ist er an der TH Berlin Ordinarius für Architektur.
1931 berufliche Krise. Er schließt sein privates Atelier resignierend, da einmal seine Projekte nach Meinung der NSDAP die verhaßte Weimarer Demokratie repräsentieren und er zum anderen von Kollegen bekämpft wird und man ihn politisch von Links und Rechts diffamiert. Er verliert viele Ämter, behält jedoch den Lehrstuhl an der TH Berlin bis 1941 durch Protektion seines Schülers Albert Speer.
1936 wird sein Entwurf für ein großes Seebad auf der Insel Rügen nicht akzeptiert, da dieser nicht dem Wunsch des „Dritten Reiches" nach monumentaler Protzigkeit entspricht. 1941 zieht sich Tessenow auf sein Landhaus Siemitz in Neubrandenburg zurück und wird schriftstellerisch tätig.
1945 zurück an der TH Berlin, wirkt er beim Wiederaufbau der Städte in Mecklenburg und Vorpommern und beim Bau von Typenhäusern in der sowjetische Besatzungszone mit. Angebote der türkischen Regierung und aus westlichen Besatzungszonen kann er aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr annehmen.

Seine Aktivitäten erstreckten sich über Köln, Mühlheim / Ruhr, Remagen, Heidel-berg, Württemberg, Saartal / Trier, Halle / Saale, Hamburg, Hannover, Vorpommern, Posen, Erzgebirge, Magdeburg, Stettin, Mecklenburg, Schleswig-Holstein, Südrußland bis Ungarn.

Hier ein Stichwort-Auszug aus seinem Bau-Register:

Häuser:
Familienhäuser, Pfarrhäuser, Pförtner-häuser, Villen, Gasthäuser, Landhäuser, Gutsherrenhaus (Neumark / Polen), Wohnhäuser für Beamten, Arbeiter, Hand-werker, Schaffner (Stadtwerke Trier), Direktoren, Ateliers, Häuser am See und im Gebirge, Mutter-Gotteshaus, Holztreppen, Hauseingänge, Tore, Haustüren, Zäune, Toilettenzimmer, Herrenarbeitszimmer, Dachausbauten.

Gärten:
Wandelgänge, Eingänge, Lauben, Per-golen, Musikpavillon, Grabmäler und Grabstätten.

Kultur:
Israelischer Kinderhort (Hannover), Internatsschule (Klotzsche / Dresden), Musikhochschule (Berlin), Studentenheim (TH Berlin), Kunstgewerbeschule (Wien), Lehrlingsheim für Landwirte (Steinhorst bei Cell), Bildungsanstalt (Hellerau / Dresden und Peine), Internationale Kunstausstellung (Dresden), Lyzeum (Kassel), Berufsschulen (Berlin), Umbau Schloßhotel (Kassel), Haus der Architekten (Berlin), Museumseinrichtungen in Berlin und Weimar, Kirche in Karlshafen.

Verschiedene Bauten:
Badeanstalt (Berlin Mitte), Altersheim (Kassel / Wilhelmshöhe), Landes-krüppelanstalt (Rostock), Vereinshaus, Rathäuser, Ausbau Goethehaus (Weimar), Seebad (Rügen), Kaserne (Helmstedt). Brunnen, Türme, Ehrendenkmäler (Neue Wache/Berlin, Neubrandenburg und Magdeburg), Eisenbahnbrücke über Elbe (Meißen) und über Weichsel.

Literatur:
De Michelis, Marco: Heinrich Tessenow: 1876-1959; das architektonische Gesamtwerk; Stuttgart 1991 GK

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